Simone de Saree – Abstraktion manmade

Text: Laura Kubitzek

Für ihre fotografischen Arbeiten bedient sich Simone de Saree der gleichen ästhetischen Bildsprache, die auch in ihren Installationen zu finden ist: reduzierte, klare Formen und die Verwendung von Grauwerten, wodurch auch hier die Farbe Weiß eine wichtige Rolle einnimmt.
Für die Serie Abstraktion man-made, an der die Künstlerin seit 2016 arbeitet, fotografiert sie von Menschen geschaffene Gegenstände – wie beispielsweise Architektur oder Gebrauchsgegenstände –, die durch die Art der Aufnahme abstrahiert werden. Die Abstraktion findet hierbei zum einen durch die Umwandlung der für die Betrachter*innen normalerweise bunten Umgebung in schwarz-weiß, und zum anderen durch die ungewöhnlichen Perspektiven statt, aus denen heraus Simone de Saree die Objekte fotografisch festhält. Die hohen Kontraste, die dafür sorgen, dass neben Grauwerten auch tatsächlich schwarze und weiße Stellen im Bild entstehen, tragen ebenfalls zur Verfremdung gewohnter Gegenstände und Szenen bei.

Der Titel der Serie Abstraktion man-made kann sich dabei zum einen auf die Bildgegenstände beziehen, die eben man-made – also von Menschen geschaffen – sind, vor allem wenn man den Titel in Abgrenzung zu der parallel entstandenen Serie Abstraktion nature versteht. Er kann zudem aber auch auf die von der Künstlerin geschaffene Abstraktion bezogen werden, die ja auch man-made ist. Eine von einer Person durch Perspektive und Verfremdung der Farben geschaffene Abstraktion der von Menschen gemachten Objekten.
Anders als in ihren Installationen, in denen sie die betrachtenden Personen zu einem Wechsel ihrer Perspektiven einlädt – da diese die Arbeiten umschreiten müssen, um sie vollständig erfassen zu können –, hat die Künstlerin hier selbst für einen Perspektivenwechsel gesorgt: aus gewohnten, von Menschen geschaffenen Objekten – wie Architektur, Möbelstücken oder Gebrauchsgegenständen – kreiert Simone de Saree durch ungewöhnliche Blickwinkel Fotografien, die teilweise so ungegenständlich erscheinen, dass das zugrunde liegende Objekt von den Rezipient*innen kaum noch oder gar nicht mehr identifiziert werden kann. Die so entstandenen Bilder erinnern durch ihre geometrischen Formen, Diagonalen und flächigen Farbfelder in verschiedenen Grauabstufungen, Schwarz und Weiß, an Malereien des Konstruktivismus oder die experimentellen Fotografien der Bauhäusler*innen.
In der Herangehensweise der Verfremdung von Bildgegenständen durch ungewohnte Perspektiven weist Simone de Saree Ähnlichkeiten zu Andreas Gursky auf. Dieser bedient sich der digitalen Bildmontage und fügt oftmals mehrere Aufnahmen eines Motivs aus verschiedenen Blickwinkeln zusammen, um eine hyperrealistische Perspektive auf – zumindest durch Fotografien und Filmmaterial – bekannte Szenen zu kreieren. Beide arbeiten also stark mit der Perspektive auf die fotografierten Objekte und nutzen diese, um den betrachtenden Personen Bekanntes zu verfremden und diese in ihren Sehgewohnheiten zu irritieren. Im Unterschied jedoch zu Gursky, bei dem die zugrundeliegenden Motive immer erkennbar bleiben, nur häufig in stark rhythmisierter und strukturierter Weise in Erscheinung treten, verschwinden bei Simone de Saree die ursprünglichen Bildgegenstände häufig ganz.
Einige der Bilder lassen durch bekannte Formen die Objekte erkennen oder zumindest erahnen – wie in der Fotografie eines Schirms: auf den ersten Blick scheint das Bild nur aus diagonal zueinander abgegrenzten, unterschiedlich breiten Streifen in hellen Grautönen, Schwarz und Weiß zu bestehen. Beim zweiten Hinsehen sind jedoch die Streben des Schirms erkennbar, die vom linken und vom unteren Bildrand angeschnitten werden. Dieser Hinweis reicht aus, um den Stoff des Schirms als solchen zu identifizieren und den Hintergrund als architektonische Elemente einzuordnen. Doch auch mit dem Wissen um das zugrunde­ liegende Objekt, scheint dieses für die jeweilige Fotografie nicht weiter von Bedeutung zu sein; vielmehr verschwinden die Gegenstände hinter der Komposition, die die Künstlerin daraus kreierte.

Andere Aufnahmen lassen – wie bereits erwähnt – den abgebildeten Gegenstand nicht mehr erkennen. Es mag sich dabei um Architektur handeln oder um andere Objekte, deren Geometrie hier besonders in Szene gesetzt wurde, in ihrer Erscheinung wirken sie auf die betrachtenden Personen jedoch vor allem als graue Farbfelder. Eine dieser Fotografien besteht aus drei Flächen in hellen Grautönen mit leichten Hell-Dunkel-Verläufen. Zwei der erkennbaren Formen sind dabei L-förmig, und so ineinander verkeilt, dass sie zusammen das Bild rahmen. In der Mitte, zwischen den längeren Seiten der beiden Flächen ist ein spitzwinkliges Dreieck zu sehen, das die beiden Kanten der anderen Formen voneinander trennt, und das in einem Verlauf von einem hellen Grauton zu einem fast weißen Ton zur Spitze nach rechts hin gehalten ist. Die hellste Farbe im Bild ist weiß; diese ist am oberen Ende der langen Seite der L-Form zu finden, die den rechten und den größten Teil vom oberen Bildrand einnimmt. Das Weiß grenzt hierbei zum einen an den hellgrauen Teil des Dreiecks, aber auch an das kürzere Ende der dunkleren L-Form, die den linken und den größten Teil des unteren Bildrands einnimmt. Dadurch entsteht an dieser Stelle der größte Kontrast im Bild, der die scharfen Kanten der Formen in Szene setzt und die Aufmerksamkeit der Betrachter*innen auf sich zieht. Anders als das zuvor beschriebene Bild, gibt dieses keine Anhaltspunkte mehr, die es in der den Rezipierenden bekannten Welt verorten würde. Es scheint losgelöst von der wahrnehmbaren Realität und lädt, ähnlich wie die Odysseia- Arbeiten, dazu ein, sich auf die ätherische Ästhetik einzulassen. Die klaren geometrischen Formen erscheinen dabei zart und filigran durch die leichten Farbverläufe der Grau-Töne.

Die einzelnen Fotografien erschließen sich hier über die Gesamtheit der Serie, da in einigen Bildern die Indizien der real erfahrbaren Welt erkennbar bleiben und dadurch den Betrachtenden bekannte Objekte zeigen, wodurch diese die Fotografien als solche zuordnen können. Die anderen Bilder, deren Bezug zur Realität nicht mehr sichtbar ist, können durch die Einbindung in die Serie dennoch als Fotografien verstanden werden; durch das Fehlen von identifizierbaren Gegenständen können die Rezipient*innen sich hier noch stärker mit der reinen Ästhetik, den Formen und den graduellen Farbabstufungen auseinandersetzen, ohne vom Drang abgelenkt zu werden, die Objekte dahinter erkennen zu wollen. Die Subjektivität der Fotografie wird damit auf die Spitze getrieben und die Identifizierbarkeit der zugrundeliegenden Gegenstände in einigen der Bilder scheint eher eine Versicherung zu sein, ein Verweis auf das verwendete Medium – ja, es handelt sich hierbei tatsächlich um Fotografie, nicht um gemalte Farbflächen.